Memories - Prag 2018

I

Die Anreise nach Prag dauerte gute vier Stunden Autofahrt, verbunden mit einem Fahrverbot für Mutter, sie hat ihren Führerschein zu Hause vergessen. Die Ankunft im Hotel ist 16:20 Uhr. Sehr altes, schönes Treppenhaus, Bezug des Zimmers, neue Ausstattung, Zimmerfenster Richtung Innenhof. Perfekt.
Wollen starten. Zwangspause zwecks Regen. 17:40 Uhr Fahrt mit Auto zum Flussufer der Moldau. Bootfahren ist das Ziel. Nach einigem suchen fällt die Entscheidung auf ein Angebot durch den Teufelskanal. Die KapitänIN Lenka ist sehr sympatisch. Es geht vorbei an Eisbrechern, bestehend aus Holzpfeilern bis nach Kleinvenedig Nach Hamburg hätten wir auch fahren können, war uns aber zu weit. Tretboote kentern fast in den von uns gemachten Wellen. Angelegt. Ausgestiegen.
Die Straßen- & Tunnelführung ist recht verwirrend, manche Autos wären wohl lieber eine Straßenbahn geworden. Zielstrebig fährt mein Auto auf den Gleisen durch die Stadt. Ob das erlaubt ist? Keine Ahnung, die Polizei hat nichts gesagt, nichts gesehen oder sich gedacht: „Diese dummen Touris mal wieder!“.
Hunger. Parkplatz. Minimarkt. Ein abendlicher Spaziergang an der Uferpromenade. Ein Lokal mit jungen, attraktiven Kellnern. Ein Koch mit Zauberhänden. Zurück zum Auto. Gelbleuchtende Pinguine am Moldauufer kontrollieren die Boote. Ein sonderbares Volk!


Bewachte Parkplätze mit maroden Häuschen, Internetanschluss & Wächtern ohne jegliche Englischkenntnisse? No problem. Augen zu und gute Nacht.
II

Vogelzwitschern. Ein kühler Lufthauch kitzelt mit dem Vorhang die Füße aus dem Schlaf. Nach einem einfachen Frühstück folgt ein Telefonat mit der Heimat. Die Bank hat anscheinend das Hotel noch nicht bezahlt. Einmal mit Profis arbeiten, das wär’s!
Wie schaut jetzt dieser Tabakladen aus, in welchem Tickets für den Nahverkehr erworben werden können? Aha, blau also. Orientierungssinn wo bist du? Ein musikhörender Mann in schwarz zeigt in Richtung Altstadt. Mit der ruckeligen Tram und arrogantem Fahrer geht’s über den Fluss. Aussteigen bitte.

Eine steile Treppe führt hinunter auf den Gehsteig und gleich mitten hinein in einen Wochenmarkt. Gekauft werden: ein Kaffee, ein schmucker Bucheinband und zwei Souvenirs in Form von Schmetterlingen, Spangen für die Haare.

Die lebhafte Altstadt besteht aus verwinkelten Gassen mit ausgewaschenem Kopfsteinpflaster. Jung und Alt bestaunen die Stadt. Geschichtsträchtige Statuen an jeder Ecke. Häuser mit schmiedeeisern verzierte Fenster und mit Stuck eingerahmt findet man hier zuhauf. In kleinen überdachten Passagen mit Galerien wird wieder der Geldbeutel gezückt.

In einer entlegenen Gasse wird nun das Mittagessen aufgetischt. Die Zuneigung zur Landesküche wächst mit jedem Bissen. 


Die Wände des Lokals sind mit Holz verkleidet, beziehungsweise mit Schnitzereien, welche Szenerien vor unterschiedlichen Häusern darstellen. Urig alt und wunderschön.

Eine ehemalige Privatuniversität mit Bibliothek und rund 6,5 Millionen Bücher umfassend liegt direkt ums Eck. Von außen ist dieser Gebäudekomplex gelb und von innen alt, mit drehwurmmachenden Wendeltreppen und steilen, einsturzgefährdeten Holzstiegen. Eigens für ehemals faule Studenten wurde ein Gefängnis integriert. In der prunkvollen Bibliothek stehen mittig, in einer Reihe, rund 15 Globen, welche teilweise nichts mit der Geographie unserer Erde zu tun haben. Nach weiteren 87 Stufen ist die Reisehöhe auch schon erreicht. Aus schwindelerregender Luftigkeit wird die Altstadt bestaunt. St. Anna, St. Michael und St. Emauzy sind nur ein paar der Wunderwerke. 


Die Treppen runter wäre ein perfekter Ort für Menschendomino.

Ortswechsel. Knarz, krach. Oh hier ist gerade Gottesdienst. Ein prunkvoller Kronleuchter schwebt über der Gemeinde.
Die Füße brennen, der Hals hat Durst, Wasser rutscht hinunter und Postkarten werden mit Zeichen gefüllt. 400 Meter weiter gibt es ein schnelles Abendessen und dann geht’s zur touristischsten Brücke der Gegend.


Eine deutschsprachige Fremdenführerin wartet bereits, der Englischsprachige ist fast ein bisschen beleidigt. Sorry! Muttersprache ist für Mutter sprachlich verständlicher. Elenka, unsere Stadtkundige, findet die vielen Touristen schon sehr nervig. Ein Widerspruch in sich. Durch Gassen, über Brücken und durch Passagen geht die Legenden- und Sagentour. Die Geschichten sind nicht selten gruselig, grauenerregend, herzerwärmend, lustig und politisch nicht korrekt. Nach fast zwei Stunden ist die Tour vorüber. Elenka ist Trinkgeld wohl nicht gewohnt. 
Bereitwillig geht sie zur selben Haltestelle. Öffentliche Verkehrsmittel sind fast fremdenfeindlich konzipiert.
III

8:00 Uhr aufstehen, Frühstück und nochmal zwei Stunden schlafen, da die Nachtruhe vom Nachbarbett aus nashornmäßig gestört wurde.
Heutiges Ziel: die Burg. 104 Stufen und sie ward erreicht. Die Sonne brennt, die Luft hat 90 Prozent Wasser intus und das Herz schafft 120 Schläge die Minute. Himbeerlimonade, Espresso und Tee springen förmlich die Kehle hinunter. Der Ausblick über die Stadt ist grandios. Eintritt „Nur mit Ticket!“. Eintritt „Nur mit Ticket!“. Eintritt „Nur mit Ticket!“. Wo zum Henker ist dieser Ticketshop? Nachdem das Ticket nun käuflich erworben wurde, darf man sich mit allen anderen Völkern der Erde durch die Burg drängen. Asiaten sprengen das Foto, Schüler rennen dich um und Touristenführer hauen einem mit ihrem Regenschirm auf den Kopf. Die gotische Kathedrale ist das Herzstück der Anlage. Außen hat sie viele schmale spitze Türmchen, welche farblich dunkel gehalten sind. Bei schlechtem Wetter würden die Fotos sicher sehr mystisch werden. 


Heute scheint die Sonne… In der Kathedrale schlängelt sich eine Menschenmasse, wie Ölsardinen einmal im Uhrzeigersinn durch die Gänge. Staub, Prunk und eine Gruft, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Die faszinierendste und schönste Kunst in diesem Gotteshaus sind die Fenster aus Glasmosaik. Im Museum der Prager Burg Geschichte ist genau beschrieben wie alt sie ist und welche Wandel sie im laufe der Jahrhunderte erlebt hat. Feuer, Krönungen, Schließung und den Bau einer Heizung. Eine Folterkammer darf natürlich nicht fehlen, absurder Weise ist diese in einem Haus des goldenen Gässchens. Von güldener Farbe keine Spur, aber eventuell sind die modernen Shops Goldgruben. Im Reiseführer steht geschrieben, anno dazumal fristeten Goldschmiede in dieser Gasse ein (erb)ärmliches Leben. 18:00 Uhr Schließung, alle werden mehr oder weniger hinauskomplimentiert.

Der Stempelautomat mag wohl nicht jeden Menschen, der Fahrer winkt durch. So ein lieber Mensch!

I take you the candyshop. I’ll let you lick the lollipop. Eine große Tüte verschwindet in der Tasche, voll mit den buntesten Zuckerkreativitäten.

Endlich kommt das sagenumwobene Prager Bier ins Spiel. Joa… es ist Bier. Speziell und super lecker? Ansichtssache. Auch heute ist das böhmische Essen ein Spektakel und wird in einem Hinterhof von einer sehr herzlichen Wirtin serviert.

Nach einem kleinen Spaziergang durch die Altstadt ist eine Striezelbude ausgesucht. Das Hefegebäck gibt es in sämtlichen Variationen, dennoch fällt die Wahl auf die klassischste Form mit Zucker und Nüssen. Auf einer Bank sitzend und naschend wird Feldforschung betrieben. Klobige Schuhe, bunte Haare, Pfennigabsätze bei Kopfsteinpflaster, Menschen ohne jeglichem Hygienebewusstsein, müde Kinder, Junggesellenabschiede und noch so viel mehr. Passante sind höchst interessant!

Noch ein letztes Mal geht es auf die Karlsbrücke. Eine junge Musikergruppe spielt Cover-up´s bekannter Lieder. An der Brüstung des steinernen Wasserüberweges zieht der Wind kalt um die Ohren. Die Stimmung hat ein romantisches Erscheinungsbild. Lichter der Uferpromenade spiegeln sich millionenfach auf der Moldau. Ein Selfie mit beleuchteter Burg darf nicht fehlen. „Ja Mama, Selfies zu schießen ist nicht immer so einfach, wie es aussieht!“. Mit der Tram fährt es sich zum Hotel zurück. Gute Nacht, du Lichtermeer.
IV

Heute gibt es nur noch ein kleines Ziel. Zuerst wird ausgecheckt, dann das Auto gesucht, auf dem fragwürdigen Parkplatz. Juhu! Es steht noch da und ist komplett unversehrt. Entschuldigung Tschechien, aber Vorurteile spuken in jedem Kopf herum, egal wie dringend man sie los werden möchte.

Nun wird das Nationalmuseum angesteuert. Aktuell gibt es drei Ausstellungen, welche liebevoll arrangiert wurden. Arche Noah, Licht und Leben & die Kelten.

Im Restaurant nebenan werden die letzten Kronen aufgegessen.
Auf wiedersehen Prag! Das nächste Mal besuche ich dich, wenn Stände vom Weihnachtsmarkt deine Straßen schmücken und niederfallender Schnee dich besinnlich werden lässt.

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